Interview mit Fabian Lenzen

Unsere große Stärke ist die Gemeinschaft

 

Zur Person

Dr.-Ing. Fabian Lenzen, 46, Vizepräsident Finanzen des BTFB, Vorstand des Großvereins TSV Rudow 1888, diplomierter Architekt, heutiger Beruf: Bestatter.

Herr Lenzen, welche Zukunft haben die Turn- und Sportvereine, werden Sie sich auch künftig in der modernen Gesellschaft behaupten können?

Die Herausforderungen werden gewiss nicht weniger, aber dennoch denke ich, dass das Modell des Vereins und insbesondere des Sportvereins in unserer Gesellschaft auch weiterhin seine Daseinsberechtigung und mehr noch seine dringende Notwendigkeit hat.


Worin liegen die Stärken, was können unsere Vereine im BTFB, was z.B. kommerzielle Anbieter nicht können?

Ich denke, der Anspruch, den zumindest die meisten klassischen Sportvereine haben, ist ja ein ganz anderer, als der, den kommerzielle Anbieter verfolgen. In den Vereinen sollte in erster Linie ja der Gedanke der Gemeinnützigkeit im Vordergrund stehen. Natürlich muss ein Verein auch auskömmlich wirtschaften, um sich dauerhaft behaupten zu können, er sollte aber in der Regel keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Vielmehr geht es im Sportverein ja um das gemeinsame Anliegen der Mitglieder gemeinsam Sport zu treiben, insbesondere Kindern und Jugendlichen aber auch Erwachsenen möglichst kostengünstige Bewegungsangebote zu unterbreiten, zur Gesunderhaltung auch im Alter beizutragen und, nicht zuletzt, auch das soziale Miteinander der Vereinsmitglieder durch den Sport zu Fördern. Der Gedanke der Ehrenamtlichkeit spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle, wie der, dass jedes Mitglied seinen Beitrag zum Gelingen eines solchen Projektes beitragen kann und sollte. Unser Verein kommt etwa mit einer einzigen Teilzeitkraft in der Verwaltung aus, weil sehr viele Aufgaben von den Mitgliedern selbst und in weiten Teilen unentgeltlich übernommen werden. So ist gerade der Gemeinschaftsgedanke eine besondere Stärke der Vereine. Gleichzeitig sind die Sportvereine die kompetenten Ansprechpartner für den Breiten-, Wettkampf- und Leistungssport. All dies unterscheidet uns sehr deutlich von kommerziellen Anbietern.


Wie beurteilen Sie, gerade unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten und Probleme der vergangenen Pandemie-Jahre, die Mitglieder-Entwicklung (siehe Seiten 18-19)?

Freilich haben viele Verein während der Pandemie Mitglieder verloren und infolgedessen zwangsläufig auch wir als Verband. Hierbei war es vielfach so, dass es gar nicht deutlich mehr Kündigungen von Mitgliedschaften gab, als dies auch vor der Pandemie schon der Fall war, aber aufgrund der ausbleibenden Sportangebote kamen keine Neueintritte hinzu, die die Austritte ansonsten kompensieren. Der Umstand aber, dass nicht mehr Sportler Ihren Vereinen den Rücken zukehrten, als in durchschnittlichen Jahren, obwohl es vielfach über längere Strecken keine Sportangebote gab, zeigt die Verbundenheit der Mitglieder mit Ihren Vereinen. Dass es nun schon seit einer ganzen Weile wieder stetig Bergauf geht, beweist, dass sich das Modell Verein keineswegs erledigt hat, sondern sich auch „post-covid“ großer Beliebtheit erfreut.


Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Vereine – gegenwärtig und für die Zukunft?

Ein wichtiges Thema ist und bleibt das Werben von Ehrenamtlichen auch für ein längerfristiges Engagement. Die veränderten Lebenswirklichkeiten um Arbeit, Schule und Ortswechsel machen dies zunehmend schwieriger. Dabei ist der Wille etwas beizutragen an sich ungebrochen, aber die Bereitschaft, längerfristige Verpflichtungen zu übernehmen, ist von Zurückhaltung gekennzeichnet. Hierauf müssen wir Antworten finden. Wichtig für die Möglichkeit, Vereinssport in der gewohnten Form anbieten zu können, ist aber auch, dass wir als Vereine landes- und bezirkseigene Sportanlagen auch künftig kostenfrei und vollumfänglich nutzen können. Dies ist eine sehr wesentliche Säule, die es uns als Vereinen ermöglicht, der Bevölkerung ein breites und erschwingliches Sportangebot bereitstellen zu können. Es wird nicht zuletzt deshalb auch in Zukunft wichtig sein, einer breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Vereinssports zu vermitteln, damit eine fortgesetzte Bereitschaft besteht, diesen zu fördern.


Damit ist vielleicht auch schon eine weitere Herausforderung benannt. Natürlich werden die Vereine auch in Zukunft qualitativ hochwertige Angebote gestalten müssen, die zu den Bedürfnissen der Menschen passen und von ihnen angenommen werden. Hierbei sind die Interessen aller Bürger, gleich welchen Alters und Geschlechts, welcher Herkunft und welcher sportlichen Vorlieben im Blick zu behalten.


Was kann der BTFB tun resp. was tut er, um die Vereine auf ihrem Weg in die Zukunft zu unterstützen?

Um dem Anspruch der Vereinsmitglieder an die Qualität der Sportangebote gerecht werden zu können, bedarf es insbesondere auch einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung. In diesem Bereich leistet unser Verband enorm viel. Aber auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit tun wir als Verband einiges, um die tollen Angebote der Vereine noch sichtbarer zu machen. Der BTFB ist aber immer auch offen für Anregungen, die aus unseren Mitgliedsvereinen kommen, schließlich setzen sich auch Präsidium und Präsidialrat aus aktiven Vereinssportlern zusammen, die für Ideen von Gleichgesinnten sehr dankbar sind.


Wie sieht das in Ihrem Verein aus, welche der genannten Themen beschäftigen Sie derzeit?

Die genannten Themen beschäftigen uns im Prinzip alle, wobei wir tendenziell in vielen Bereichen noch Potenziale an weiteren Mitgliedern und sogar Helfenden hätten, teilweise aber die dafür notwendigen Hallenzeiten fehlen. Ein weiteres Thema ist die Digitalisierung. Da wir als Verein sehr föderativ organisiert sind, haben viele Abteilungen eigene Lösungen für ihre Bedarfe entwickelt. Aktuell versuchen wir, all diese Ansätze in guter Weise so miteinander zu verbinden, dass sich im besten Fall für alle Synergien daraus ergeben. Nicht zuletzt hängt mit dem Thema Digitalisierung auch die Öffentlichkeitsarbeit zusammen, die sich heute vielfach im Internet und in den sozialen Medien abspielt.


Ihr Verein hat eine besondere Struktur - kann das ein Zukunftsmodell auch für andere Vereine sein?

Wir sind mit unserer föderalen Struktur sehr zufrieden. Sie bringt eine große Autonomie für alle Abteilungen mit sich, die ihre Gelder und auch ihre sportlichen Angelegenheiten weitestgehend selbst verwalten. Das motiviert die Aktiven, da sie nicht das Gefühl haben, ein Gesamtverein beschränke sie in ihrer Entfaltung.


Gleichzeitig hält es die einzelnen Organisationseinheiten überschaubar, so dass nach wie vor sehr vieles in ehrenamtlicher Arbeit geleistet werden kann. Dies wiederum spart nicht zuletzt Kosten und trägt so dazu bei, dass die Beiträge der einzelnen Abteilungen nach wie vor relativ günstig sein können. Auf Kursangebote verzichten wir dabei übrigens völlig.


Ein Nachteil ist auf der anderen Seite manchmal, dass die Kommunikation und Gemeinschaft zwischen den einzelnen Abteilungen nicht ganz so ausgeprägt ist, wie sie sein könnte. Um hierauf einzugehen, gestalten wir abteilungsübergreifende Angebote, die auch sehr gern angenommen werden.


Im Grunde ist unser Verein in vielen Punkten sehr traditionell organisiert und hat sich in seiner Struktur in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig verändert. Manchmal werden wir dafür sogar ein wenig belächelt, fahren aber eigentlich sehr gut damit, nicht zuletzt auch in der zurückliegenden Corona-Kriese. Dass dies für andere Vereine ein Zukunftsmodell sein könnte, überrascht daher vielleicht auf den ersten Blickt ein wenig, freut mich aber durchaus.


Können Sie aus Ihrer Erfahrung weitere Modelle oder Projekte empfehlen, die helfen, einen Verein fit für die Zukunft zu machen?

Vielleicht braucht es gar nicht an jeder Ecke ein neues Projekt oder Modell, auch wenn man natürlich immer mal wieder mit etwas Innovativem auf sich aufmerksam machen muss. Wesentlich wichtiger scheint mir aber zu sein, dass man mit einer gewissen Kontinuität und Zuverlässigkeit sowie mit stabiler Qualität in den Angeboten den Vereinsmitgliedern eine sportliche Heimat bietet, in der sie sich wohl und angekommen fühlen. In einem solchen Umfeld lassen sich auch Ehrenamtliche am besten motivieren.


Wenn Sie persönlich einen Wunsch frei hätten – welcher wäre das für die Zukunft der Vereine bzw. Ihres Vereins?

Ich würde mir natürlich wünschen, dass der Vereinssport, den es in dieser Form übrigens bei weitem nicht überall auf der Welt gibt, auch weiterhin seinen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnimmt und dass diese besondere Rolle auch weiterhin gefördert und wertgeschätzt wird. Gemeinsam werden wir auf der Vereins- wie auch auf der Verbandsebene unseren Beitrag dazu leisten und hier gilt mein Dank allen, die sich für den Vereinssport engagieren. Ansonsten freue ich mich einfach, wenn ich auch in vielen Jahren noch mit anderen Sporttreibenden in unserer kleinen Turnhalle in Rudow zusammenkommen kann, um mich ein wenig zu bewegen, das steht übrigens auch für heute Abend noch auf dem Terminplan.

 

 

Interview: Sonja Schmeißer
Foto: Juri Reetz


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