Interview mit Sylvia Kempe-Hiltser

Mit der Arbeit die Werte des Sports vermitteln

 

Zur Person

Die Sportfachwirtin Sylvia Kempe-Hiltser (57) ist BTFB-Präsidiumsmitglied Kultur und Projektleiterin in der «Sport für Berlin gGmbH».

Frau Kempe-Hiltser, es geht um «Arbeiten im Sport», und Sie selbst sind mit Ihrer Biographie ein Beispiel für lebenslanges Engagement im Sport. Zudem haben Sie beruflich unmittelbar mit diesem Thema zu tun?

Ja, ich wusste schon vor dem Abitur, dass ich einen «sportlichen Berufs-Weg» einschlagen würde, war ich doch von Kindheitsbeinen an in verschiedenen Sportvereinen in unterschiedlichen Sportarten aktiv. - Turnen, Trampolin, Handball, Skifahren, Leichtathletik (7-Kampf) hin zu 23 Jahren Liga-Volleyball im TSV GutsMuths 1861, meiner sportlichen Heimat seit 1983. Während meines Sport- und Englisch-Studiums erwarb ich Übungsleiter-Lizenzen und sammelte erste Erfahrungen im Vermitteln von Sport, u.a. im Basketball, Rudern und Skifahren. Von der geplanten Schullaufbahn ging es in die Verwaltungs- und Organisationsstrukturen von Sportvereinen, weshalb sich noch ein BWL-Studium mit Sport-Schwerpunkt anschloss. Damit konnte ich auch ausbilden, was sehr erfüllend war, denn hier konnte ich den ersten Ausbildungsgang der Azubis zum Sport- und Fitnesskaufmann mitgestalten.

(Nach einem weiteren Studium – BWL mit Schwerpunkt Sport) Ich war dann lange Zeit als Geschäftsstellenleitung im TuS Lichterfelde und später im TSV Spandau 1860 tätig. Neben der Hauptamtlichkeit hatte ich immer das Ehrenamt im Blick, war Übungsleiterin, Kampf- und Schiedsrichterin in mehreren Sportarten und bin Mitglied des BTFB-Präsidiums.


Jetzt bin ich hauptberuflich Projektleiterin und Personalverantwortliche in der «Sport für Berlin gGmbH», einer Tochtergesellschaft des LSB. Hauptsächlich geht es darum, im Zusammenwirken mit den Jobcentern Langzeitarbeitslosen eine sinnvolle Tätigkeit in Vereinen zu vermitteln.


Was macht Arbeiten im Sport für Sie attraktiv?

Gerade die Vielzahl an Aufgaben und deren Unterschiedlichkeit haben mich gereizt; ich konnte Ideen immer einbringen, die dankbar angenommen wurden und auf fruchtbaren Boden fielen. Vor allem, da sich der Sport immer mehr und intensiver um weitergehende Aufgaben über das Sporttreiben hinaus, «kümmern» muss. Auch der Blick in andere Bundesländer und ihre Sportstrukturen haben meinen Blick geschärft und einen «persönlichen Ideen-Pool» geschaffen.


Mehr und mehr sind Sportvereine und deren Organisationen gefordert, auf gesamtgesellschaftliche Probleme einzugehen, sich umzustellen und neu auszurichten. In diese Prozesse kann man sich einbringen und sie fantasievoll mitgestalten.


All das spiegelt das breite Spektrum einer Tätigkeit im Sportbereich wider, deshalb ist die Entscheidung für «Arbeiten im Sport» eine, die ich nie bereut habe!


Wie verknüpft sich Ihre hauptamtliche Tätigkeit mit dem Ehrenamt im Präsidium?

Mit der Berufung als Präsidiumsmitglied bringt man ja seine erworbenen beruflichen und persönlichen Kompetenzen ein. Innerhalb der Präsidiumsarbeit ist es mir wichtig, dass man sich nicht ausschließlich in seinem Ressort – bei mir das Ressort Kultur - abgrenzt, sondern sich aktiv mit den anderen Bereichen austauscht. Als Präsidiumsmitglied bringt man sich in die strategischen Prozesse zur Zukunft des Verbandes ein. Um die gesellschaftlichen Entwicklungen mitgestalten zu können, müssen auch die Strukturen im Sport veränderbar sein- damit beschäftigen wir uns z.B. gerade in der Satzungskommission. Dazu zählt auch die Mitarbeit in berlinweiten Ausschüssen und die Gremienarbeit innerhalb des organisierten Sports.


Dabei bin ich aber immer eine Verfechterin der Hauptamtlichkeit im Sport geblieben, unabhängig von der persönlichen Situation und der unentbehrlichen ehrenamtlichen Tätigkeit.


Was heißt das angesichts von Fachkräftemangel und mangelndem Nachwuchs im Ehrenamt – welche Lösungsansätze könnte es geben?

Hauptamtlichkeit ist auch ein Wirtschaftsfaktor geworden. Die Aufgaben, die Verbänden und Vereinen gestellt werden, sind nicht mehr, oder nur im geringen Maße, über die Ehrenamtlichkeit auszuüben. Das Ehrenamt und die darin handelnden Personen sind aus meiner Sicht die «Ziel-Vorgeber», die sich um die Entwicklung und Ausgestaltung ihres Ressorts Gedanken machen. Die Ausführung übernehmen die Hauptamtlichen, die dann bei der Umsetzung wiederum auf die Ehrenamtlichkeit zurückgreifen. Denn kein Wettkampf, kein Sommerfest, keine Ehrungsveranstaltung oder welches Ereignis auch immer kann ohne den Einsatz von Ehrenamtlichen funktionieren. Sie bilden die Basis, sind jedoch immer schwieriger zu finden.


Dabei ist die seit 2013 gesetzlich geregelte Stärkung des Ehrenamtes ein adäquates Mittel, um auch die Ehrenamtlichkeit in gewissem Maße zu vergüten, bzw. - für die Vereinskassen schadlos - vergüten zu können.


In Ihrer beruflichen Tätigkeit vermitteln Sie Arbeitskräfte für Vereine. Was sind Ihre konkreten Aufgaben?

Aktuell befasse ich mich mit Projekten, die Sportvereinen bei den Aufgaben und Problemen der Ehrenamtlichkeit mit Personal-Unterstützung «unter die Arme greifen».


Unsere Projekte zielen darauf, Langzeitarbeitslosen im Sportverein eine sinnvolle und ausfüllende Tätigkeit anzubieten. Dabei sind wir als Projektleitende aufgerufen, die Bedarfe an Hilfen aus dem Sport abzugleichen, Vereine als Einsatzstellen zu finden und die von bezirklichen Jobcentern vermittelten Helferinnen und Helfer einzusetzen.


Wie nachgefragt ist die Vermittlung von Arbeitskräften?

Die Nachfrage nach Helfenden im Sport von Vereinen ist sehr hoch. Es sind niederschwellige Tätigkeiten, die oft als »Starthilfe» in einen neu zu regelndem Tagesablauf der Helferinnen und Helfer gesehen werden. Vereine können sich jederzeit an uns wenden, wir unterstützen gern beratend und bei der Suche nach unterstützenden Arbeitskräften.


So können Langzeitarbeitslose wieder in einen geregelten Tagesrhythmus finden, und hier hat sich der «sportlich -faire» Umgang im Verein als Pluspunkt erwiesen. Sportlerinnen und Sportler regeln die Dinge unkompliziert!


Und mancher Kontakt an der Seitenlinie hat zu einem neuen Arbeitsfeld geführt. Dies ist jedoch noch die Ausnahme, zunächst ist für die Helfenden ein erster Schritt zurück in ein strukturiertes Umfeld. In früheren Jahren als «Ein-Euro-Jobber» bekannt, sind solche Hilfen für Vereine mittlerweile fast nicht mehr wegzudenken.


Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Die Projekte sind von der Finanzierung der Jobcenter abhängig. Die Teilnehmenden werden von den Jobcentern zugewiesen und haben unterschiedliche persönliche Voraussetzungen und Förderbedingungen, die sich oft nicht mit den Wünschen der Vereine decken. Das macht es oft schwer, die Wünsche aus den Vereinen zu erfüllen.


Es ist ja auch ein Ziel, dass sich diese Helferinnen und Helfer quasi unentbehrlich für die Vereine machen und eine weiterführende, vom Jobcenter losgelöste, Tätigkeit im Verein finden. Darin sehe ich auch eine Möglichkeit und eine große Chance für den Berliner Sport, Nachwuchs zu finden.


Was müsste sich dafür ändern?

Ich wünsche mir persönlich einen flexibleren Ablauf mit den Verwaltungen, gerne im Rahmen von »Pilot- Kooperations-Projekten», die von den finanziellen Zwängen, unter denen die Jobcenter agieren müssen, losgelöst sein müssten.


Hier sind gute Kontakte und das Netzwerk in der Berliner Sportlandschaft unerlässlich, um auf anderen Ebenen evtl. solche Pilot-Projekte zu initiieren und doch unabhängiger gestalten zu können. Die Partner Jobcenter, Berliner Sportvereine und Berliner Organisationen müssen Hand in Hand arbeiten, um dies auf den Weg zu bringen.


Wenn Sie auf Ihre bisherige Arbeit im Sport zurückblicken – wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Im Sport zu arbeiten ist ein höchst abwechslungsreiches, spannendes Berufsbild, das Fantasie und Ideenreichtum zulässt. Die Fairness, das Anwenden und Lernen von Regeln, die das allgemeine Miteinander unserer Gesellschaft im Alltag prägen, sind mir wichtig - und zusammen mit dem Miteinander im Sport bildet dies eine Grundlage von Werten im Leben, die man auch weitergeben kann und sollte.


Ich möchte sagen, dass mich die Vielfalt und die neuen Herausforderungen, die das Arbeitsfeld Sport mit sich bringt, bewusst und aufmerksam im Hinblick auf mein Umfeld gemacht und mich sowohl privat als auch beruflich gestärkt haben.

 

 

Interview: Sonja Schmeißer
Foto: privat


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