Janina Reisert
Ausführliche Fassung des Textes aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 5 (Dezember 2021)
Zur Person
Janina Reisert (38) ist Studienrätin Sport/Chemie, Sportwartin, Trainerin Wettkampfriege Turnen beim TSV Wittenau, Mitglied im BTFB-Kampfrichterausschuss sowie im TK Mehrkämpfe.
Grundsätzlich bin ich für einen bewegten Alltag von Kindern. Viel unternehmen - ob auf Spielplätzen, mit der Familie im Schwimmbad oder auf der grünen Wiese ist da egal. Vielfältige Bewegungserfahrungen mit allen Sinnen sammeln, ist ein wichtiger Entwicklungsbaustein.
Den Vorteil des Sports im Verein sehe ich darin, dass er noch mehr Möglichkeiten bietet: qualifizierte Übungsleiter, Sporthallen, Geräte, Aufbauten und Ideen, die man so selbst nicht hat. Außerdem hilft es, einen festen Termin zu haben. Man lässt die Turnstunde nicht so schnell ausfallen wie den Spaziergang im Park.
Mein Sohn ist 7 Jahre und turnt derzeit beim TSV Wittenau in der Wettkampfriege der Jungen. Meine Tochter ist 4 Jahre und ist derzeit beim Kinderturnen der Handballabteilung des SCC. Beide waren aber auch schon in der BT und meinen Sohn haben wir zwei Jahre lang zum leistungsorientierten Turnen beim TSV Falkensee gefahren. Die Turnangebote speziell für Jungen in Berlin sind sehr rar. Mein Sohn spielt außerdem noch Eishockey bei den Adlern Berlin vom SCC und meine Tochter tanzt in einer Tanzschule.
Dem TSV Wittenau bin ich seit meiner frühesten Kindheit eng verbunden. Die Übungsleiter sind toll, ich fühle mich sehr wohl und will diese positiven Erfahrungen gern an meine Kinder weitergeben. Trotzdem sind organisatorische Fragen wichtig. Erreichbarkeit und Trainingstage spielten bei der Auswahl eine große Rolle. Das ist das, was uns zum SCC trieb.
Als Eltern unterstützen wir das Turnen unserer Kinder bei der Alltagsorganisation und den Fahrtwegen. Bei uns wird zu Hause viel Turnen im Fernsehen geschaut und Mama ist immer wieder beim Turnen. Seit sie ein paar Wochen alt sind, nehme ich meine Kinder mit zum Training. Krabbeln und Laufen haben sie auf Turnmatten gelernt. Sogar ihre Cousine treffen sie in der Turnhalle. Zu Hause haben wir eine Sprossenwand, Handstandklötze und ein Airtrack - meine Tochter hatte schon mit zwei einen Turnanzug mit Glitzer.
Als besonders schöne Erlebnisse habe ich zum Beispiel mit meinem Sohn das Turnfest in Berlin genossen, während ich noch mit meine Tochter schwanger war. Zur Turn-WM 2019 in Stuttgart sind wir gefahren und haben mitgefiebert. Grundsätzlich ist aber auch jedes Vereins-Event ein Highlight. Im TSV Wittenau haben wir im September ein Fest für unsere Mitglieder mit Turnstationen, Hüpfburg, Tanz und mehr ausgerichtet, darauf wurde lange hingefiebert und auch noch lange im Nachhinein erzählt.
Die größten Herausforderungen/Probleme für das Kinderturnen liegen in der Organisation. Wir würden auch noch viele mehr machen wollen, aber es bleibt neben Arbeit und Schule zu wenig Zeit. Der Alltag mit zwei Erwachsenen, die beide selber Sport machen, und zwei Kindern, die in jeweils zwei Sportarten unterwegs sind, ist eine große Managementaufgabe, in die sich beide Eltern einbringen müssen und aber auch gerne wollen.
Auch in meinem Berufsleben als Lehrerin an einem Gymnasium habe ich mit Kindern und Jugendlichen von Klasse 5 bis 12 zu tun – ich versuche auch hier, ein vielfältiges Sportbild und die Freude am Sport zu vermitteln.
Gerade die Coronapandemie zeigt, wie wichtig Sport ist und wie gut es den Kindern tut, etwas außerhalb von Schule und Kita zu tun. Wie sie groß werden und an den Herausforderungen des Turnens und in der Gruppe wachsen, das Lächeln und die Freude der Kinder sind ein schöner Lohn für das Engagement. Mich motiviert zu sehen, wie wichtig meine Arbeit ist.
Unsere Eltern der Trainingsgruppe zeigen teilweise offen, teilweise durch das große entgegengebrachte Vertrauen wie sehr sie unsere Arbeit schätzen. Auch von außerhalb - Schule, Verein und Verband - kommen oft ein Dankeschön und kleine und große Gesten und Taten.
In unserem Verein wird viel für Kinder geboten. Das Milchzahnathleten-Projekt, in dem die Kinder Sportarten übergreifend ausgebildet und dann weitergeleitet werden, ist ein toller Ansatz und sucht unbedingt Nachahmer in anderen Vereinen. Es sollte noch breiter für mehr Kinder über mehr Sportarten hinweg angeboten werden, um Möglichkeiten und Chancen auszuweiten und jedes Kind in den Sport zu bringen, indem es sich selbst verwirklichen kann.
Das Land/der Bezirk muss dringend an der Bereitstellung/dem Neubau von Sportstätten arbeiten. Da kann das Engagement der Trainer noch so groß sein, wenn es nicht ausreichend und gut ausgestattete Hallen-, Wasser- und Eiszeiten gibt, werden nicht mehr Kinder im Sport ein zu Hause finden können. Wir haben in nahezu allen Hallen Wartelisten, vom Zustand der Hallen lieber ganz zu schweigen…
An sich weiß jeder, dass Kinder im Verein Sport treiben können. Neben Veranstaltungen oder Festen könnte hier eine noch bessere Internetpräsenz helfen. In meinen Augen sollte die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten/Schule und Verein noch viel enger sein.
Der Lockdown im letzten Winter wegen der Corona-Pandemie war ganz schlimm. Wir haben so gut es mit all dem anderen Stress ging, Kontakt gehalten und Onlinetraining angeboten. Aber an dem munteren Quatschen und Lachen bei den Außentrainings, die wir früh durchgeführt haben, hat man gemerkt, wie wichtig eben der persönliche Kontakt ist. Wir haben Balken, Trampoline und Matten auf Fußballplätze geschleppt, um halbwegs das trainieren zu können, was wir eigentlich wettkampforientiert anbieten, aber damit hatte das nicht viel zu tun.
Nun freuen wir uns, dass wir halbwegs normal trainieren können. Sogar Wettkämpfe bis hin zu Deutschen Meisterschaften haben stattgefunden. Hoffentlich läuft das nächste Jahr für alle Kinder wieder normal.
Foto: Juri Reetz