Interview mit Manfred Schick

Diese Vielfalt ist einmalig!

 

Zur Person

Manfred Schick, 64, Vizepräsident Leistungs- und Breitensport des BTFB. Sport- und Englischlehrer und Abteilungsleiter des Beruflichen Gymnasiums, der Fachoberschule und Berufsoberschule an einem Oberstufenzentrum in Berlin (OSZ KIM). Abteilungsleiter Gerätturnen der Berliner Turnerschaft (BT). Beginn der turnerischen Karriere 1967 beim TB Gaggenau im Nordschwarzwald.

Manfred Schick, man sieht schon an den ersten Seiten dieses Magazins, wie vielfältig und umfangreich der Wettkampfsport im BTFB ist. Von welchen Dimensionen sprechen wir hier?

Der BTFB als zweitgrößter Sportverband der Hauptstadt ist sehr breit aufgestellt, repräsentiert eine Vielfalt an Sportarten. 18 davon sind Wett¬kampfsportarten, die unzählige Formate und Disziplinen in verschiedenen Alters- und Leistungsklassen anbieten. Neben klassischen Sportarten wie Gerätturnen, Rhythmische Sportgymnastik oder Trampolinturnen finden wir z.B. auch Faustball, Orientierungslauf, Jugger und vieles mehr. Diese Vielfalt an Sportarten ist mit einem riesigen Angebot zum Sportreiben verbunden – hier ist für jede und jeden etwas dabei! Für diese Sportarten gibt es unterschiedliche Formate; sie können als Breitensport, aber viele auch als Leistungs- und Wettkampfsport betrieben werden.

Hinter diesen Zahlen stehen viele Menschen und davon sehr viele Ehrenamtliche. Ohne deren Engagement und Freude an der Arbeit wäre es nicht möglich, so ein vielfältiges und attraktives Angebot für die sportinteressierten Menschen in Berlin anzubieten.


Welche Aufgaben hat ein Vizepräsident eines so großen Bereiches? Ist es nicht schwierig, da den Überblick zu behalten?

Meine Aufgabe als Vizepräsident Leistungs- und Breitensport ist im Prinzip, die Interessen der Akteure in den vielfältigen Sportarten zu vertreten. Ich möchte den Leistungs- und Breitensport im BTFB unterstützen und fördern, wobei der Schwerpunkt in Maßnahmen der Leistungssportförderung in Landeskadern, Leistungszentren und Stützpunkten liegt. Natürlich repräsentiere ich den Sport auch nach innen und außen – sei es z.B. bei Siegerehrungen bei Kindermehrkampftagen oder bei repräsentativen Aufgaben bei leistungssportorientierten Wettkämpfen. Last but not least vertrete ich die Interessen des Leistungs- und Breitensports im Präsidium des BTFB, die ich dann – bei Bedarf – auch an den DTB weiterleite.

Es ist nicht einfach, in so einem großen Aufgabengebiet den Überblick zu behalten. Ich bin erst seit zwei Jahren in Amt und Würden und kenne noch nicht alle Akteure, die leistungs- und breitensportliche Interessen in den vielfältigen Sportarten in Berlin vertreten. Ich habe aber stets ein offenes Ohr und freue mich über Anregungen, Vorschläge oder Bitten um Aktivität in Bereichen, denen ich bisher noch nicht so viel Aufmerksamkeit widmen konnte.


Ob Olympiateilnehmer Philipp Herder oder die 15-jährige Mehrkämpferin und die 11-jährige Sportakrobatin, ob die Gruppen TGM/TGW, Gymnastik, TeamGym, ob Aerobic, Prellball, OL, Faustball … allen gemeinsam ist die Begeisterung für den sportlichen Vergleich, für Wettkämpfe als Höhepunkte nach intensivem Training. Was macht diese Faszination aus Ihrer Sicht aus?

Ich habe mit 10 Jahren mit dem Leistungssport Kunstturnen begonnen und bin dem Sporttreiben bis heute treu geblieben. Ich kann diese Faszination aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Zum einen basiert sie auf der Freude an der Bewegung und der individuellen Verbesserung durch Training in jeder Sportart. Das Trainieren in einer Gruppe Gleichgesinnter ist auch immer wieder eine Quelle der Freude. Wettkämpfe sind natürlich nicht nur reines Vergnügen. Leistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt abzurufen und dabei möglichst keine Fehler machen – das kann schon stressig sein. Andererseits kann man sich in Wettkämpfen mit anderen Sportlerinnen und Sportlern messen, gewinnt oft neue Freunde und Motivation für die nächsten Trainingseinheiten. Ebenfalls nicht zu unterschätzen – man lernt auch, mit Enttäuschungen umzugehen; nicht jeder Wettkampf kann gewonnen werden.

Beim Sportreiben oder Wettkampf als Mannschaftssport kommt noch ein weiterer Aspekt dazu – das Erreichen eines gemeinsamen Zieles in einer Truppe, die sich gegenseitig unterstützt und anfeuert. Wenn man mit dieser Mannschaft dazu auch noch erfolgreich ist - was kann es beim Sport Schöneres geben!


Darin liegt auch eine große Verantwortung für jeden Sportverband, dass es dabei immer um „Leistung mit Respekt“ geht, wie die aktuelle DTB-Kampagne heißt. Wie kommt der BTFB dieser Verantwortung nach?

Auch hier ist der BTFB sehr gut aufgestellt. Der Verband ist Erstunterzeichner der „Erklärung zum Kinderschutz“ und fordert alle Vereine auf, sich dieser Erklärung anzuschließen. Mit 27.000 Kindern in knapp 300 Turnvereinen ist sich der BTFB seiner Verantwortung bewusst. Der BTFB hat mit Nicole Gressner und Caroline Sümnick zwei äußerst kompetente und engagierte Kinderschutzbeauftragte und bietet eine Vielfalt an Fortbildungen an.

Natürlich können wir nicht alles durch eine rosarote Brille sehen. Es gibt Formen der psychischen und/oder sexualisierten Gewalt in Turn- und Sporthallen; ansonsten hätte der DTB die großangelegte Kampagne „Leitung mit Respekt“ nicht ins Leben gerufen. Ich finde es sehr gut, dass diese Diskussion nun offen geführt wird. Das Ergebnis wird letztendlich sein, dass sich positive Veränderungen ergeben werden. Ein respektvoller Umgang miteinander wird eine angenehme Trainingsatmosphäre und – damit verbunden - Leistungssteigerungen fördern.


Unabhängig von der aktuellen Pandemie – wie ist der BTFB bzgl. eigener Wettkampf-Angebote aufgestellt? Welche Probleme gibt es und wo sehen Sie Reserven?

Ich finde, dass der BTFB bis zum Beginn der coronabedingten Einschränkungen ein sehr gutes Wettkampfprogramm mit einer beachtlichen Spannweite hatte. Das reicht von Kindermehrkämpfen bis zu Bundesliga-Aufstiegswettkämpfen in der RSG oder dem Internationalen Junior Team Cup, um nur einige wenige zu nennen. Nun heißt es, diese Angebote wieder langsam hochzufahren, ohne dabei natürlich die weitere Entwicklung von Corona aus den Augen zu verlieren.

Ein Problem wird immer die Finanzierung sein. Aber eins haben die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie deutlich gezeigt: Wenn politischer Wille vorhanden ist, können unterschiedliche politische Institutionen sehr schnell sehr viel Geld zur Verfügung stellen. Diese politischen Institutionen in der Zukunft auch zu einer erhöhten finanziellen Förderung des Leistungs- und Breitensports zu bewegen, das wird auch Teil meiner Aufgaben sein.


Welche Sportart(en) hat/haben sich in den letzten Jahren besonders entwickelt?

Das ist eine schwierige Frage. Da ich aus dem Kunstturnen komme, habe ich dessen Entwicklung natürlich besonders intensiv verfolgt. Und da hat sich in den letzten Jahren wahrlich viel verändert. Bedingt auch durch die sich ständig verändernden Wertungsvorschriften ist das Kunstturnen noch akrobatischer geworden. Gleichzeitig wird immer mehr Wert auf eine ästhetische Ausführung gelegt. Zusätzlich wird durch das Verbot von gewissen Turnelementen versucht, Verletzungen im Training und Wettkampf zu vermeiden. Dann wären da sicher auch noch relativ neue Sportarten wie Jugger und Hurling zu nennen. Wie gesagt, es gibt mit Sicherheit auch Entwicklungen in anderen Sportarten wie z.B. RSG oder Sportakrobatik; dazu kann ich nichts Verlässliches sagen, das können die einzelnen Fachbereiche besser beurteilen.


Worin bestanden die größten Herausforderungen im zurückliegenden (Corona-) Jahr?

Eindeutig die erheblichen Beschränkungen bei allen Sportarten, was die Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten betrifft. Kadersportlerinnen und -sportler durften zwar trainieren, die überwiegende Mehrheit der Aktiven musste aber lange darauf verzichten.

Dann waren da auch noch diese Online-Konferenzen und Veranstaltungen. Ich bin eher ein Typ, der mit Menschen gerne „in Präsenz“ kommuniziert. Die Online-Konferenzen innerhalb des BTFB oder mit dem DTB waren zwar ein guter Ersatz, ich ziehe aber das „analoge“ Gespräch vor.


Wie geht es jetzt weiter, wie ist der Stand im Juni 2021?

Die Inzidenzen sinken, immer mehr Menschen lassen sich impfen. Ich bin optimistisch, dass das Sporttreiben in jeder Hinsicht bald wieder wie in der Zeit vor Corona möglich sein wird.


Worauf freuen Sie sich als Vizepräsident am meisten, wenn Corona (hoffentlich bald) vorbei ist?

Um ganz ehrlich zu sein – dass endlich wieder gemeinsam gefeiert werden kann, wenn es etwas zu feiern gibt. Und dass ich wieder bei Wettkämpfen meine Unterstützung anbieten kann.


An welches Wettkampf-Erlebnis erinnern Sie sich persönlich besonders gern?

Besonders gerne erinnere ich mich an die Badische Vize-Jugendmeisterschaft 1973 in Radolfzell, da sie den Beginn meiner Leistungssportkarriere darstellt und die Deutsche Vizemeisterschaft Senioren 2017 in Berlin, da dies mein letzter Wettkampf war. Highlights mit der Mannschaft der Berliner Turnerschaft waren 1994 die Meisterschaft in der Kunstturn-Regionalliga Nord und 2001 der Gewinn des Bundespokals in Hundsmühlen.


Wem wollen Sie – gerade nach schwieriger Zeit – ein besonderes Dankeschön sagen?

Meiner Frau Josee Schick. Was sie als Trainerin trotz der Corona-Beschränkungen und in stundenlangen Online-Trainingseinheiten für ihre Turnermädchen auf die Beine gestellt hat – das ist eine Inspiration für mich, wie sehr man Sport lieben kann.

 


Das Interview führte Sonja Schmeißer.


Foto: Juri Reetz


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