Robert Brichta

Ausführliche Fassung des Textes aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 2 (März/April 2021)

 


Zur Person

Robert Brichta (42) ist Historiker, Politologe und Vorstandsvorsitzender des Sportfreunde Berlin 06 e.V.

 

Innerhalb des Vereins sind die Erfahrungen, die wir mit der Digitalisierung gemacht haben, durchweg positiv. Unsere Maßnahmen optimieren Verwaltungsprozesse, entlasten Mitarbeiter, senken die Fehlerquote und schonen die Umwelt. Im Außenkontakt stoßen wir häufig auf Ängste, Unkenntnis und Vorbehalte im Zusammenhang mit digitalen Prozessen. Besonders betroffen sind hier öffentliche Einrichtungen im Bereich ihrer Antrags- und Abrechnungsprozesse.


Aber auch in vielen Vereinen dominieren immer noch Glaubenssätze wie: "Das haben wir schon immer so gemacht" bzw. Unkenntnis und Ängste hinsichtlich Fragen zur Durchführbarkeit und rechtlichen Vorgaben. Es sind aber auch einige positive Entwicklungen zu beobachten. Der LSB setzt sich bspw. seit längerer Zeit immer stärker für eine Förderung digitaler Prozesse ein. Wir durften aktiv an der Gestaltung eines ersten Digitalisierungssymposiums für Vereine mitwirken. Hier wurden die Probleme und Sorgen der Vereine thematisiert und praktische Lösungsvorschläge erarbeitet. Im Juni dieses Jahres wird die Veranstaltung mit dem Schwerpunkt „Rechtssicherheit“ fortgesetzt.


Ganz papierlos kommen auch wir nicht aus. Gerade in der Kommunikation und der Arbeit „nach außen" ist dies noch ein weiter Weg. Die besagte Antragstellung bspw. von Hallenzeiten oder Fördermitteln bedarf meistens noch eines Ausdrucks inklusive analoger Unterschrift. Intern haben wir unseren gesamten Mitgliedschaftsprozess digitalisiert. Von der Anmeldung zum Probetraining, über Widerruf, Kommunikation bis hin zur Kündigung werden sämtliche Prozesse nur nur noch digital gestaltet.


All das ist kein Hexenwerk, das bekommen andere Vereine auch hin! Am wichtigsten ist die Bereitschaft innerhalb des Vereins, wirklich einen Wandel einzuleiten. Ziehen nicht alle an einem Strang, wird ein derart großer und umfangreicher Prozess immer scheitern. Es gilt, sich von alten Glaubensgrundsätzen zu lösen und offen für neue Möglichkeiten zu sein. Ich würde zunächst die Kontaktaufnahme mit einem bereits „digitalisierten“ Verein sowie mit der Vereinsberatung beim LSB empfehlen.


Durch die besonderen Bedingungen in Zeiten der Corona-Pandemie sahen und sehen sich viele Vereine zu bestimmten Digitalisierungsprozessen schon fast gezwungen, die unter „normalen“ Bedingungen nicht oder zumindest nicht so schnell aktuell geworden wären. An erster Stelle stehen hier sicherlich die Themen Kommunikation und digitale Sportangebote. Neben einem umfangreichen Bedarf an technischer Beratung, benötigen viele Vereine auch hier Unterstützung in Rechts- und Sicherheitsfragen. Hervorheben würde ich besonders die Bereiche Daten- und Kinderschutz.


Exemplarisch dazu einige mögliche Fragen: „Welche Daten meiner Mitglieder werden (bspw. im Rahmen der Vorbereitung eines Zoommeetings) wie, wo, durch wen und wie lange erhoben, bearbeitet und weitergegeben?", „Wer hat Zugriff auf ein digitales Sportangebot meines Vereins?", „Wie gewährleiste ich den besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen (und ihren Daten) vor, während und nach einer digitalen Veranstaltung?“ etc. Hier lässt sich aufgrund der oftmals unter extremen Zeitdruck entstandenen „Pandemieangebote“ eine gewisse Nachlässigkeit oder auch Naivität im Umgang mit sensiblen Daten feststellen.


Allgemein wünschen wir uns von den Fachverbänden eine weitere Digitalisierung im gesamten Verwaltungsbereich. Anträge, Abrechnung und Statistiken sollten nur in dringlichen Fällen ausgedruckt und postalisch verschickt werden müssen. Ein weiterer Wunsch ist die aktive Unterstützung und Förderung digitaler Vereinsprozesse. Hier gilt es Anreize zu schaffen, technische Hilfe anzubieten, Interessierte zu vernetzen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.


Persönlich finde ich an der Digitalisierung besonders faszinierend die Beschleunigung von Arbeitsprozessen. Früher vergingen vom Erstkontakt zu einem interessierten Sportler bis zur Versendung der Mitgliedschaftsbestätigung oft mehrere Tage oder Wochen, mit häufig fehleranfälligen Zwischenschritten. Heute ist dies bei uns innerhalb weniger Minuten mit einigen Klicks inklusiver diverser Plausibilitätschecks und Sicherheitsüberprüfungen möglich.


Entbehrlich bzw. gefährlich finde ich eine mögliche „Überdigitalisierung“ in der Sportpraxis. Digitale Trainingsangebote können nur bedingt oder gar nicht das liefern, was gemeinsames Sporttreiben oder Training auszeichnet. Der soziale Umgang miteinander, das Zurechtfinden in einer (Trainings-)gruppe, der direkte verbale Austausch oder auch nur die Stimmung und das Gefühl in einer Sporthalle oder eines Stadions, können schwerlich digital vermittelt werden. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich eine gewisse Anonymisierung und Entfremdung der Sportler voneinander. Das wichtige Element der Vermittlung von Sozialkompetenz durch den Sport ginge womöglich mehr und mehr verloren.


Was jetzt digital „einfach dazugehört“? Der bereits erwähnte digitale Mitgliedschaftsprozess gehört für mich eindeutig dazu. Noch vor einigen Jahren war es völlig normal für mich, zu den einzelnen Trainingsstandorten zu fahren, dort ausgedruckte Mitgliedsanträge abzugeben oder einzusammeln, sie ins Büro zu bringen, einzuscannen, zu bearbeiten und händisch einzupflegen. Heute ist das für mich nicht mehr vorstellbar.


Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung definitiv vorangebracht? Ich erwähnte ja bereits einige erst durch die Pandemie ausgelöste „Digitalisierungszwänge“. Gerade im Bereich digitale Trainingsunterstützung/-gestaltung sowie Meeting-Organisation und -durchführung wurden enorme Fortschritte bei vielen Vereinen erreicht.


Nach der Pandemie bleibt hoffentlich die Erfahrung bestehen, dass es im Zweifel auch mal eine digitale Vorstandssitzung tut, genauso wie die Wertschätzung eines gefahrfreien analogen Treffens von Mensch zu Mensch. Die Herausforderung wird wahrscheinlich sein, auf überflüssiges (berufsbedingtes) Reisen zu verzichten, ohne gleichzeitig die wichtigen Sozialkontakte zu vernachlässigen.


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