Interview mit Bernd Mies

Wir bewegen mit dem Rehasport eine Kleinstadt

 

Zur Person

Bernd Mies (62) ist im Präsidium des BTFB für den Gesundheitssport zuständig. Er hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und ist seit 1989 für Berliner Großvereine tätig. Dort hat er hauptverantwortlich das erste Berliner Sportstudio in Vereinsregie aufgebaut und entwickelt, von Beginn an mit dem Fokus Gesundheit und Rehabilitation. Neben der Individualbetreuung der Mitglieder im Gesundheitsstudio führt er auch Gruppen mit den Schwerpunktthemen Orthopädie und Innere Medizin.

Bernd Mies, von welcher Größenordnung sprechen wir im BTFB, wenn es um Rehasport geht?

Derzeit machen 33 Vereine unseres Verbandes insgesamt 1.240 Angebote im Rehasport. Das bedeutet bei voller Auslastung, dass 15.600 Menschen regelmäßig im Rehasport aktiv sind. Das hat immerhin die Dimension einer Kleinstadt und ist eine richtig gute Hausnummer!


Wer kann am Rehasport teilnehmen?

In der Rahmenvereinbarung zum Rehasport heißt es, dass jeder, der von Behinderung betroffen oder bedroht ist, infrage kommt. Entscheidend ist der Arzt – er gibt die Empfehlung zum Rehasport. Dann kümmert man sich als Patient selbst, um ein entsprechendes Angebot zu finden. Bei der Suche helfen die Krankenkassen oder Verbände wie der Rehasport Deutschland Verband - oder wir: Interessenten können bei uns in der GS nachfragen, wo sich der nächstgelegene unserer Anbieter befindet.


Gibt es genug Angebote oder eher Wartelisten…?

In aller Regel findet man einen Anbieter. Aber es gibt zum Beispiel viele Anfragen zum Rehasport im Wasser, und wir haben dafür nicht genug Wasserflächen. Nun muss Gymnastik ja nicht zwingend im Wasser stattfinden und so kann man in diesen Fällen auf ein anderes Angebot ausweichen.


Warum sollte man im Verein Rehasport machen – es ist doch eher eine medizinische Maßnahme…?

Weil Rehasport eine unserer Kernkompetenzen ist und wir den Riesenvorteil haben, dass wir ein Folgeangebote machen können. Die Menschen nach einer Erkrankung wieder am Leben teilhaben zu lassen, wer kann das besser als der organisierte Sport?


Welche Angebote gibt es für bestimmte Krankheitsbilder bzw. gesundheitliche Einschränkungen?

Es gibt die Einteilung in größere Bereiche, darunter finden sich jeweils viele spezielle Angebote. Ein großer Bereich umfasst die Orthopädie - Wirbelsäule, Schulter, Knie, Osteoporose. Dann die innere Medizin, dazu zählen vor allem der Herzsport und mit zunehmenden Zahlen auch der Lungensport. Es gibt Angebote für Diabetes-Patienten und Krebssport sowie den neurologischen Bereich mit den Themen Demenz, geistige Behinderung und nun auch Long-Covid.


Was macht ein gutes Rehasport-Angebot aus?

Dazu gehören zuerst kompetente und empathische Übungsleitende, die in der Lage sind, Menschen im Sport zu führen und mit ihnen zu kommunizieren. Sie haben dafür eine gute Ausbildung genossen und müssen sich regelmäßig fortbilden. Alle zwei Jahre für die innere Medizin, für die Orthopädie alle vier Jahre – das heißt, sie sind immer wieder angehalten, ihre Fachkompetenz zu erweitern.


Zu einem guten Angebot gehört auch eine schöne, gut ausgestattete Übungsstätte mit genügend Platz für die Gruppe, die meist um die 15 Personen umfasst.


Beim Herzsport ist die Anwesenheit eines Arztes vorgeschrieben. Diese Aufgabe dürfen jetzt auch Rettungs- und Notfallmediziner übernehmen. In vielen ländlichen Bereichen könnte sonst gar kein Herzsport angeboten werden, weil sich kein Arzt oder Ärztin findet.


Sie führen selbst Gruppen in speziellen Themenfeldern – was bewirkt der Rehasport?

Im orthopädischen Bereich sieht man relativ schnell Erfolge. Auch wenn die Menschen längere Zeit keinen Sport betrieben haben, stellen sich durch die Mittel des Rehasports schnell wieder Fortschritte ein. Das merken die Teilnehmenden und bleiben gern dabei.


Im Bereich der inneren Medizin ist das anders, Erfolge stellen sich langfristiger ein, beide Seiten brauchen Geduld. Wenn jemand eine periphere Verschlusskrankheit hat und nur 20 Meter schmerzfrei gehen kann, dabei immer wieder stehen bleibt – und nach zwei Jahren Rehasport wieder einen ganzen Kilometer schmerzfrei bewältigt, dann ist das ein ganz wesentlicher Schritt und entscheidend für die Lebensqualität.


Gibt es nach der Corona-Zeit, in der ja der Rehasport das einzige durchlaufende Angebot war, neue Tendenzen?

Der Verband Rehasport Deutschland hat in dieser Zeit für uns erstritten, dass wir weitermachen durften. Dennoch haben wir viele Mitglieder verloren. Gerade die Menschen mit Erkrankungen des Immunsystems oder anderen Vorerkrankungen haben Angst gehabt, aus dem Haus zu gehen zum Sporttreiben mit anderen. Aber nach dem Ende der Einschränkungen, sobald es möglich war, ist das Angebot in voller Stärke wieder angelaufen und sie kommen alle wieder zurück.


Bei allen Themen zum Rehasport erweist sich die sehr gute Zusammenarbeit mit Rehasport Deutschland, vor allem in Person von Sabine Knappe, als großer Gewinn für die Vereine und für uns als Verband.


Rehasport für Long-Covid, Neuro-Angebote, Kurse für Menschen mit M. Parkinson - gibt es eine Tendenz, sich mit speziellen Angeboten vermehrt neurologischen und psychischen Problemen zuzuwenden?

Ich bin überzeugt davon, dass wir noch gar nicht wissen, was Covid mit der Gesundheit der Menschen gemacht hat. Es hat sich in vielen Dingen gezeigt, dass die Auswirkungen den ganzen Körper betreffen, aber wir wissen nichts Genaues, weil es einfach keine Langzeit-Erfahrungen gibt. Ich denke deshalb, dass wir diese Patienten und jene, die mit ähnlichen Auswirkungen einer Erkrankung zu tun haben, gut in den bestehenden Reha-Gruppen mit betreuen können.


Wie sehen Sie aus Verbandssicht das Thema Demenz und Bewegung in diesem Kontext – werden wir entsprechende Angebote schaffen?

Ich sehe das so, dass es ein entscheidendes Trio gibt: Anbieter – Hohe Qualität – genügend Teilnehmende. Wenn das gegeben ist, sind Menschen mit Long-Covid oder Demenz auch gemeinsam mit anderen Rehabilitanden in einer Gruppe gut aufgehoben. Wir arbeiten mit den Mitteln des Sports, da kann man auch mit beginnender Demenz in eine Gruppe mit entsprechendem Leistungsniveau integriert werden. Es liegt dann an der Kunst der Übungsleitenden, beide an ihre positiven Grenzen zu führen.


Das schließt nicht aus, dass wir Gruppen speziell für Demenzkranke anbieten, wenn das oben genannte Trio vorhanden ist. Wenn Menschen auch beim Sport in ihrer Peer-Gruppe bleiben möchten, dann machen wir das – aber die Teilnehmenden müssen wir dann eben erstmal zusammenbekommen.


Führt der Rehasport zu regelmäßigem Sporttreiben?

Hierzu haben wir keine belastbaren Zahlen, wissen aber aus den Vereinen, dass der größte Teil weitermacht mit dem Sport. Manche mit einer Folgeverordnung, andere bleiben im Verein oder gehen ins Gesundheitssport-Studio. Man braucht einen festen Termin und jemanden, der auf einen wartet... Es werden ja soziale Kontakte geknüpft, der Rehasport ist immer auch ein soziales Konstrukt.


Was muss ein Verein tun, um Rehasport-Anbieter zu werden? Welche Hürden gibt es, wer kann helfen?

Zunächst sieht es ziemlich bürokratisch aus – wie erlange ich die Berechtigung, welche Rahmenbedingungen gibt es, welcher Arzt kommt infrage? Aber die Hürde wird relativ klein, wenn man sich an den BTFB wendet oder an den starken Partner Rehasport-Verband. Von beiden werden sie an die Hand genommen und dann ist das alles gut machbar.


Was wünschen Sie sich für den Rehasport in den kommenden Jahren?

Ich wünsche mir, dass Rehasport in dieser Form bestehen bleibt und allen Menschen offensteht. Dazu gute Übungsleitende, gute Sportstätten, in denen wir Rehasport anbieten können, so dass wir dadurch größere Möglichkeiten haben, Menschen zu helfen. Ich wünsche mir, dass mehr Vereine Rehasport anbieten und wir über diesen Weg viele Menschen für den organisierten Sport gewinnen können.

 

 

Interview: Sonja Schmeißer
Foto: Juri Reetz


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