Patrick Prager

Ausführliche Fassung des Textes aus dem Magazin BewegtBerlin, Nr. 3 (Mai/Juni 2022)

 


Zur Person

Patrick Prager (36) ist Trainer für Parkour, Akrobatik und Geräteturnen männlich (Leistungsbereich) beim SC Berlin. Beruflich ist er CEO bei PATRIX Parkour & Freerunning.

 


Trends werden von der Gesellschaft als Wert- und Normverschiebungen einer bestimmten Sache wahrgenommen, sei es in wirtschaftlicher, sozialer oder medialer Hinsicht, aber auch in sportlichen Aktivitäten, Mode oder Musik. Diese Wertverschiebung wird meist in kürzester Zeit großen Anklang bei der breiten Masse oder einer bestimmten Zielgruppe finden. Ein Trend kann von kurzer Dauer sein, aber auch länger anhalten.


Als Entstehung einer neuen Sache oder Aufarbeitung einer längst dagewesenen Idee oder Errungenschaft kommt es häufig vor, dass ein Trend sehr schnell wieder abklingt und somit keinerlei Innovation herbeiführt. In vielen Fällen ist ein Trend eine positive Weiterentwicklung unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens, wie z.B. ein besseres Umweltbewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit in der heutigen Zeit.


Die meisten Sportarten unterstehen immer einer bestimmten Entwicklung. Eine Entwicklung, die sich meist positiv auf diese auswirkt. Der Trend könnte dann sein, klüger zu trainieren, um ein optimales Leistungsniveau zu erlangen, aber auch bestimmten Verletzungen vorzubeugen und aus Fehlern zu lernen. Dem Turner bspw. ist es untersagt, manche Übungen zu turnen, die bei früheren Wettkämpfen erlaubt waren. Zusätzlich sind die Trainingsbedingungen für Turner im Vergleich zur Vergangenheit deutlich besser geworden. Der Trend geht also dahin, effizienter und smarter zu trainieren.


Bei mir persönlich hat das Skateboarden in meiner Jugend eine bedeutende Rolle gespielt. Als Skateboarder geht man in den urbanen Raum, trifft sich und trainiert mit Freunden autodidaktisch das Skateboardfahren. Dabei lernt man die städtische Landschaft nochmal ganz anders kennen und interpretiert sie neu. Eine Bordsteinkante oder Treppe wird dann plötzlich zu deinem Trainingsort. So sieht man die Straßen einer Stadt eher als Spielplatz und Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.

Zu der Zeit als ich startete, war Skateboarding schon längst „salonfähig“. Viele Eltern kauften ihren Kindern damals schon Skateboards, was heute auch ganz normal erscheint. Das war jedoch nicht immer so. Skateboarder in Kalifornien waren damals sehr in Verruf geraten und wurden von der breiten Maße nicht akzeptiert. Jedoch finden wir heute Skateboarding bei den Olympischen Spielen wieder.


Seit über 15 Jahren bin ich Trainer für den Parkoursport. Sehr häufig erlebe ich es, dass Außenstehende Parkour als Trendsportart wahrnehmen. Das kann ich auch gut verstehen, denn diese Sportart hat sich in sehr kurzer Zeit enorm entwickelt und ist ein internationales Phänomen geworden. Doch jeder, der selbst Parkour trainiert, hat davon sicherlich eine andere Meinung. Ähnlich wie beim Skateboarden steht das gemeinschaftliche Trainieren draußen im urbanen Raum im Vordergrund. Auch hierbei wird die städtische Landschaft komplett neu interpretiert und genutzt. Man trainiert respektvoll und hilfsbereit miteinander. Dabei geht es nicht darum, einem bestimmten Trend hinterherzulaufen, sondern eher, sich an seine körperlichen und geistigen Grenzen zu begeben und diese im besten Falle zu erweitern.

Parkour/Freerunning wird eher als Bewegungskunst und teilweise als Lebenseinstellung wahrgenommen. Sehr häufig muss man sich seinen Ängsten beim Training stellen. Diese Sache könnte man auch auf andere Bereiche des normalen Lebens beziehen. Für mich geht es außerdem darum, dem Naturell des menschlichen Körpers wieder näher zu kommen. Springen, Laufen, Hangeln, Klettern sind elementare Fortbewegungstechniken, die wir in der modernen Zeit immer mehr verlieren. Und da haben Sportarten wie Parkour, Bouldern etc. großes Potenzial, uns dies wieder zu ermöglichen.


Doch es gibt innerhalb des Parkoursports mehrere positive Trends. Denn die Entwicklung ging dorthin, dass Parkour/Freerunning ebenfalls großes Interesse bei vielen Menschen geweckt hat. Man kann heutzutage überall professionelles Parkourtraining als Angebot für Groß und Klein wiederfinden. Viele Schulen bieten Parkour im Sportunterricht an, es gibt Weiterbildungen für Lehrer und Trainer, Schul-AG und viele Breitensportvereine, die eine Parkourabteilung haben. Auch ich biete hier in Berlin mehrere Kurse in der Woche an.


Ein anderer Trend innerhalb der Sportart ist die starke und große Community. Viele Freerunner sind untereinander vernetzt, organisieren große Zusammenkünfte und Wettkämpfe. Dabei ist nochmal die Hilfsbereitschaft und der respektvolle Umgang miteinander zu erwähnen. Viele Teams reisen von Stadt zu Stadt und werden meist von den lokalen Freerunnern mit offenen Armen empfangen. So werden Unterkünfte und gemeinsame Trainingseinheiten untereinander bereitgestellt und organisiert.


Auch beim Parkour wird, aufgrund der Entwicklung, immer smarter und bewusster trainiert. Man versteht sich als Athlet und hin und wieder stellt man auch andere Gewohnheiten seines Lebens um. Sehr häufig habe ich erlebt, dass ein Freerunner sich plötzlich gesünder ernährt, zusätzliches Krafttraining macht, um Verletzungen vorzubeugen oder Schlafgewohnheiten ändert, um am nächsten Tag für das Training bereit zu sein.


Parkour untersteht einer rasanten Entwicklung und hat international Anklang gefunden. Es ist schon lange nicht mehr als Randsportart zu betrachten, sondern als feste Größe innerhalb der Sportwelt. Nicht nur in Filmen oder Musikvideos, sondern auch in Videospielen ist Parkour zu finden. Viele Sportvereine hier in Berlin, die eine Parkourabteilung haben, besitzen Wartelisten, da die Kurse so gut besucht sind. Und schon bald könnte man Parkour ebenfalls bei den Olympischen Spielen sehen.


Ich habe die Erfahrungen machen können, dass Vereine sehr positiv dem Parkoursport gegenüber stehen. Für die meisten Vereine ist eine solche Abteilung eine Bereicherung und wird auch dementsprechend gefördert. Es wird sich große Mühe gegeben, für diese Sportart Trainingsplätze zu organisieren, Trainer auszubilden und diese wertzuschätzen. Ich denke generell, dass Trends den Verein kulturell und wirtschaftlich bereichern und immer sehr gut aufgenommen und umgesetzt werden. Ob ausreichend auf Trends seitens der Vereine reagiert wird, kann nur jeder Verein für sich selbst reflektieren.


Eine große Organisation wie der BTFB kann eine Menge für den Parkoursport tun, um diesen weiterzuentwickeln. Über Fachtagungen und Weiterbildungen bis hin zu Trainingseinheiten und Trainerlizenzen ist alles denkbar. Vielleicht wäre auch in naher Zukunft ein eigener Stützpunkt für Parkour eine Überlegung wert, um das Training für die Trainingsteilnehmer und Trainer zu bündeln und zu optimieren.


Seit ca. 5 Jahren leite ich bei der Fachtagung „Turnen in der Schule“ in der Max-Schmeling-Halle die Fortbildung im Parkourbereich. Jedes Mal waren die Kurse sehr gut besucht und das Angebot wurde sehr gut angenommen. Dabei ist es wichtig, den Lehrern zu zeigen, wie und wann man Parkour im Sportunterricht anbieten kann. Die Weiterbildung dauert 1,5 Stunden und vermittelt einen Überblick, welche Schulsportgeräte eingesetzt werden können, um urbane Hindernisse in der Halle zu simulieren. Außerdem bekommen die Lehrer einen „Bewegungskatalog“ einzelner Techniken des Parkoursports. Dabei wird jede einzelne Bewegung methodisch aufgeschlüsselt und Schritt für Schritt erlernt, um ein Verletzungsrisiko zu vermeiden. Die Weiterbildung hat einen hohen Praxisanteil, wobei jeder Lehrer die Bewegung selbst vor Ort neu erlernt. Nach der Weiterbildung haben die Teilnehmenden eine Vorstellung davon, wie Parkour in den Sportunterricht eingebunden werden kann.


Ich finde die Entwicklung gut, dass viele Sportzentren, in denen Leistungssport absolviert wird, auch den Breitensportlern die Möglichkeit geben, ihre Trainingsmöglichkeiten zu nutzen. Auch hierbei ist ein respektvoller Umgang untereinander nötig. Man kann sehr viel voneinander lernen und das nicht nur in sportlicher Hinsicht. Es entstehen nicht selten interessante Gespräche und Sichtweisen, bis hin zu neuen Freundschaften untereinander.


Ich finde die Entwicklung einer Sportart von einer kleinen Randsportart bis hin zu einer olympischen Disziplin schon sehr interessant. Für viele Menschen sind die Olympischen Spiele das Nonplusultra und für manche nicht so erstrebenswert. Ursprünglich entstand Parkour ohne jeglichen Wettkampfcharakter, daher gibt es viele gespaltene Meinungen seitens der Athleten zu diesem Thema. Die Freiheit, frei vom Wettkampf- und Leistungsdruck zu sein, um selbstbestimmt und kreativ zu trainieren, steht für viele Parkourathleten im Vordergrund. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Andersherum gibt es schon unzählige Wettkämpfe, wo sich die Athleten in Disziplinen wie z.B. Speed, Skills oder Kreativität messen. Parkour hat eben das Potenzial, sich zu einer olympischen Disziplin zu entwickeln. Es gibt jedoch viele Sportarten, die kurzzeitig olympisch waren, dann aber wieder verbannt wurden. Ich stehe der Entwicklung positiv gegenüber.

 


Foto: privat


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