Interview mit Prof. Dr. Regina Roschmann

Innovatives Management spricht alle an

 

Zur Person

Regina Roschmann, Jahrgang 1980, ist Sportwissenschaftlerin und Leiterin des Studiengangs Management sowie Professorin für Management und Sportmanagement an der Fachhochschule für Sport und Management Potsdam der Europäischen Sportakademie Land Brandenburg (ESAB). Roschmann ist Autorin des Buches „Innovationsmanagement im Sport“ und war viele Jahre im Fußball aktiv.

Frau Roschmann, in jedem Verein gibt es Tätigkeitsbereiche, die permanent „backstage“ ablaufen. Denken wir nur an die oft lästige Verwaltungsarbeit. Wie wichtig ist es für das Management bzw. die Vereinsführung, gerade Mitarbeitende dieser Bereiche – oft Ehrenamtliche - in die Prozesse einzubinden?


Die Verwaltungsarbeit hat in Vereinen in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, denn es bedeutet auch, dass der Sport mittlerweile breiter aufgestellt ist und sich in vielerlei Hinsicht auch Chancen ergeben haben. Nehmen wir den Gesundheitssport als Beispiel. Dieser hat sich in den letzten Jahren in den Sportvereinen stark entwickelt, kann aber unter Umständen, beispielsweise aufgrund von Zertifizierungen oder Kooperationen mit Krankenkassen, viel Verwaltungsarbeit mit sich bringen. Andere Beispiele sind die Mitgliedsbeiträge, die immer noch für die meisten Vereine die zentrale Finanzierungsquelle darstellen, oder ganz aktuell die Erstellung von Hygienekonzepten während der Pandemie.

Solche Aufgaben sind sehr bedeutend, aber oft auf den ersten Blick unsichtbar. Entsprechend ist es wichtig, sie sichtbar zu machen, z. B. durch persönlichen Dank und öffentliche Anerkennung, aber auch – wie bei allen ehrenamtlichen Tätigkeiten – indem man den Beteiligten Verantwortung übergibt, Vertrauen entgegenbringt und ihnen Handlungsspielraum lässt.


Man kann den Begriff „Backstage“ auch mit „Strippen ziehen im Hintergrund“ in Verbindung bringen – macht Management das nicht auch …?


Sicherlich ist die Formulierung ganz passend, denn sie hebt noch einmal hervor, dass viele wichtige Aufgaben in Sportvereinen oder bei Sportveranstaltungen nicht sichtbar, aber trotzdem unverzichtbar sind. Gleichzeitig kann mit dieser Formulierung aber auch etwas Negatives verbunden sein: Die Intransparenz von Entscheidungen, die dem organisierten Sport manchmal vorgeworfen wird. In den letzten Jahren gab es in diesem Zusammenhang einige zurecht kritisierte Fälle, die den Blick auf die gute Arbeit, die in den meisten Sportorganisationen und von den meisten Mitarbeitenden geleistet wird, beeinträchtigt. Funktionsträgerinnen und -träger sowie Mitarbeitende sind gut beraten, sich selbst diesbezüglich immer wieder zu hinterfragen, denn das Vertrauen aller Beteiligten ist für den Sport ein wichtiges Gut.


Der gesamte Sportbetrieb der Vereine/Verbände – wenige Bereiche ausgenommen – würde ohne ehrenamtliche Arbeit nicht funktionieren. Wie wird diese Besonderheit im modernen Sportmanagement berücksichtigt?


Zunächst einmal muss ich Ihnen völlig Recht geben, der Sport in Deutschland hat über die letzten zwei bis drei Jahrzehnte zwar eine enorme Professionalisierung durchlaufen, aber er würde ohne Ehrenamtliche nicht funktionieren – zumindest nicht in dieser Form. Vor einiger Zeit habe ich in Israel einen Vortrag vor Studierenden über das deutsche Sportsystem gehalten. Für die Zuhörenden war es völlig ungewohnt, dass bei uns so viele Ehrenamtliche im Sport tätig sind. Also Menschen, die nicht über viele Jahre für diese Tätigkeit ausgebildet wurden und diese in ihrer Freizeit ausüben. Gleichzeitig waren sie aber sehr erstaunt, beispielsweise über die niedrigen Mitgliedsbeiträge, die den Zugang zum Sport für die breite Bevölkerung stark erleichtern. Ein modernes Sportmanagement ist oft an Konzepte aus der herkömmlichen Betriebswirtschaft angelehnt, aber es funktioniert nicht, ohne die Besonderheiten des Sports zu reflektieren.

Dazu gehören hier in Deutschland nicht nur das Ehrenamt, sondern auch demokratische Entscheidungsstrukturen in Vereinen und Verbänden oder die ausgeprägten Emotionen, die mit Sport oft einhergehen. Ein konkretes Beispiel: Um Ehrenamtliche zu motivieren, können Sie keine Gehalterhöhung ankündigen, aber Sie haben trotzdem enormen Einfluss auf die Motivation, z. B. durch die Übergabe von Verantwortung oder persönliche Wertschätzung. Man muss aber auch sagen: „Den“ Sport gibt es so eigentlich nicht, denn der Sport ist vielfältig. Und das muss auch das Sportmanagement berücksichtigen.


Ist Sportmanagement nur etwas für große Player und Events oder auch für kleinere Vereine?


Sportmanagement kann auch für kleine Veranstaltungen oder kleine Vereine hilfreich sein. Damit ist aber nicht gemeint, dass jede Veranstaltung hauptberuflich tätige Mitarbeitende benötigt oder jeder Verein sämtliche Vorgänge professionell strukturieren muss. Was man bei kommerziellen Unternehmen vielleicht als „sich durchwursteln“ eher negativ beschreiben würde, kann – je nach Ausrichtung und Zielen – in Vereinen über Jahrzehnte hinweg gut funktionieren. Es gibt aber im Sportmanagement relativ simple Tools oder Leitlinien, die sich einfach umsetzen lassen und auch für kleine Vereine oder Veranstaltungen hilfreich sein können. Beispielsweise kann eine sogenannte SWOT-Analyse, in der man sich die eigenen Stärken und Schwächen, aber auch die Möglichkeiten und Risiken in seinem Umfeld systematisch bewusst macht, fast immer hilfreich sein. Weil sie einen dazu bringt, sich über die eigene Organisation und deren Umfeld Gedanken zu machen.


Welchen Mehrwert hat ein Verein, wenn er sich mit professionellen Management-Strukturen befasst?


Das kann je nach Verein unterschiedlich sein. Ein Mehrwert, der sich aber in fast allen Vereinen ergeben kann, ist die Entlastung der Ehrenamtlichen von Begleitaufgaben, damit diese sich auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren können. Menschen, die in Vereinen tätig sind, gelten oft als Generalisten, sie leiten beispielsweise das Handballtraining, organisieren aber auch die Fahrt zu den Auswärtsspielen, kümmern sich um die Berichterstattung in der Zeitung, nehmen an Vereinssitzungen teil usw. Das bedeutet einen enormen Zeitbedarf. Professionelle Strukturen – und das können neben hauptberuflichem Personal auch eine leicht handhabbare Software zur Kommunikation sein oder eine gute Organisation innerhalb des Vereins mit klaren Ansprechpartnern – können den Ehrenamtlichen einige dieser Aufgaben abnehmen oder sie erleichtern. In den meisten Fällen geht es bei professionellen Strukturen also nicht um einen Ersatz der Ehrenamtlichen, sondern um deren Unterstützung.


Womit sollte man als Klein- oder Mittelverein beginnen, wenn man Strukturen und Management optimieren will?


Tatsächlich ist gerade die bereits genannte SWOT-Analyse für mich der erste Ansatzpunkt, wenn ich Vereine berate. Im Anschluss daran kann man dann über die Ziele sprechen, die der Verein verfolgen möchte. Diese beiden Schritte funktionieren eigentlich immer und bringen oft schon eine ganze Menge Aha-Effekte mit sich. Danach, also wenn es darum geht, Maßnahmen zu formulieren und sie dann tatsächlich umzusetzen, wird es für Vereine oft schwieriger, weil das meist bedeutet, mit bisherigen Routinen zu brechen, was nicht immer leicht ist. Aber selbst, wenn der systematische Prozess nach der Zielformulierung endet, hat der Verein in aller Regel eine ganze Menge über sich gelernt.


Wo lauern vielleicht auch Gefahren?


Problematisch kann es werden, wenn ein systematisches Management den Verein in seiner Identität vollständig verändert und dieser Wandel von den Anspruchsgruppen – vor allem den Mitgliedern – nicht mitgetragen wird. Wenn zum Beispiel ein kleiner Verein, der sich bisher über seine lokale Verbundenheit und die familiäre Atmosphäre ausgezeichnet hat, zu einem größeren, hochprofessionellen Verein entwickelt, dann ist das nur dann eine positive Entwicklung, wenn es von den Mitgliedern erwünscht ist. Wir sehen das derzeit im professionellen Fußball, der aufgrund seiner rasanten Entwicklung über viele Jahrzehnte innerhalb und außerhalb des Sports viel Anerkennung erfahren hat. Manch einer hat die zunehmende Professionalisierung, die auch mit einer starken Kommerzialisierung einhergeht, schon länger kritisch gesehen. Aber in den letzten zwei bis drei Jahren hat sich die Kritik doch sehr verstärkt und der Fußball verliert durch seine Veränderung an Sympathien.


Welche Trends gibt es aktuell im Sportmanagement?


In vielerlei Hinsicht sind die Trends im Sportmanagement auch die Trends, die in der Gesellschaft insgesamt existieren, beispielsweise die Themen Digitalisierung, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung oder der Kampf gegen Diskriminierung. Diese Themen werden in der Gesellschaft immer wichtiger. Bei einigen von ihnen ist der Sport schon gut dabei, bei anderen muss er seinen Weg noch finden, darauf adäquat einzugehen. Das ist auch eine Aufgabe des Sportmanagements.


In Ihrem neuen Buch „Innovationsmanagement im Sport“ beschreiben Sie das Innovationsmanagement als integral bedeutend. Was ist damit gemeint?


Der Sport gilt manchmal als eher behäbig, beispielsweise weil Entscheidungen durch die demokratischen Strukturen im organisierten Sport oft etwas langsamer ablaufen als in Unternehmen oder weil die Funktionsweise eines Vereins sich über viele Jahrzehnte vergleichsweise wenig verändert hat. Auf der anderen Seite hat der Sport aber schon oft gezeigt, dass er in der Lage ist, sich sozialen, politischen und technologischen Veränderungen anzupassen, was eine gewisse Innovationsfähigkeit voraussetzt. Im Spitzensport stellt das Streben nach Siegen und Rekorden sogar einen natürlichen Treiber der Innovation dar. Ebenso wie für das „allgemeine“ Sportmanagement gilt auch hier: In manchen Fällen kann es äußerst hilfreich sein, diese Innovationsfähigkeit durch ein systematisches Innovationsmanagement zu unterlegen, um seine Ziele zu erreichen.

 


Das Interview führte Gritt Ockert.


Foto: DREIDREIEINS Fotografie


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