Interview mit Sophie Lehsnau & Philipp Herder

Motivation durch Olympische Spiele

 

Zu den Personen

Sophie Lehsnau, Präsidentin des Berliner Turn- und Freizeitsport-Bundes, und Philipp Herder, Mehrkampf-Finalist bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.

Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sind in Sichtweite. Welche Gefühle bewegen euch als ehemalige Aktive im Turnen jetzt, so kurz zuvor?


Sophie Lehsnau (SL): Vorfreude. Ich werde mir so viel wie möglich anschauen und drücke natürlich unseren Teams die Daumen. Gerade in der RSG gibt es zum ersten Mal die realistische Chance auf eine Goldmedaille im Einzel und in der Gruppe ist unsere Berlinerin Anja Kosan dabei.


Philipp Herder (PH): Für mich ist es diesmal entspannt und ich bin natürlich gedanklich bei unserem Männer-Team. Schade, dass es für Milan Hosseini nicht ganz gereicht hat, aber er ist noch jung und hat noch viel vor sich. Ich werde versuchen, möglichst viel zu sehen, auch von anderen Sportarten. Bei Olympia ist alles spannend.


Philipp, wie hast du die Spiele 2021 erlebt, welche Erfahrungen hast mitgenommen?


Die Spiele in Tokio fanden ja mitten in der Corona-Pandemie statt, wir turnten ohne Publikum und konnten nicht so viel vom Land sehen. Aber für mich ging mit der Olympia-Teilnahme ein Traum in Erfüllung und unser Team und ich selbst, wir konnten auch sportlich überzeugen. Die Japaner waren extrem zuvorkommend und freundlich, haben es uns so leicht wie möglich gemacht. Was ich gar nicht in Worte fassen kann und nie vergessen werde, waren die Begegnungen im Olympischen Dorf. Dieses Miteinander von Sportlern aus verschiedenen Nationen, diese Atmosphäre, das war alles ganz neu und aufregend – unbeschreiblich, man muss es erlebt haben.


Sophie, wie siehst du als Präsidentin den Stellenwert Olympischer Spiele für einen Landesverband wie den BTFB?


Olympische Spiele wirken sich aus, vor allem auf den Spitzen- und Nachwuchssport. Millionen schauen zu und viele Nachwuchstalente wollen dann so werden, wie ihre Idole, die Olympiasieger geworden sind oder eine Medaille gewonnen haben.


Wenn jetzt deutsche Athletinnen oder Athleten Medaillen in Paris gewinnen, wird das in den entsprechenden Sportarten auch zu einem Zulauf in unseren Vereinen führen. So sind Olympische Spiele nicht nur für den Leistungssport wichtig, sondern auch für den Breitensport.


Wie können wir die Werte, die mit den Olympischen Spielen, der Olympischen Bewegung verbunden sind, an Kinder und Jugendliche weitervermitteln?


PH: Das ist eine schwierige Frage. Du brauchst als Sportler halt Vorbilder, und die sind es, die diese Werte leben und auf diese Weise weitergeben. Völkerfreundschaft, Fairplay, Respekt – das hört sich groß an. Aber ich denke, dass jeder Sportler diese Werte ohnehin lebt. Für mich ist der olympische Gedanke zugleich auch der Sportgedanke. „Dabei sein ist alles“ – das klingt bei den Spielen immer so merkwürdig, aber es ist im Endeffekt wirklich so. Denn es geht auch bei Olympischen Spielen nicht immer darum, der Beste zu sein, sondern das Beste aus sich rauszuholen. Das gilt generell für den Sport und ist auch so ein Wert, der weitergetragen werden kann, auch in den Breitensport.


SL: Ich denke auch, diese Werte haben einfach mit dem Sport und mit dem Sporttreiben im Verein zu tun. Hier werden sie vermittelt. So dass die Kinder sagen, es lohnt sich im Verein, ich will zwar nicht Spitzensportler werden, aber da ist Gemeinschaft, das ist wie ein zweites Zuhause, da fühle ich mich wohl.


Wie bewertet ihr die Olympische Bewegung aus heutiger Sicht?


SL: Ich freue mich, dass die Olympischen Spiele in einem demokratischen Land stattfinden. Ein ganz wichtiges Thema bei Olympischen Spielen ist für mich die Nachhaltigkeit. Damit beschäftigen wir uns auch gerade bei uns im Verband sehr intensiv. In der Vergangenheit baute man für Olympische Spiele Sportstätten, die anschließend nicht weiter genutzt wurden … Ich finde, die Austragungsländer sollten dazu verpflichtet werden, so sinnvoll zu bauen – oder mehrere Städte miteinander verbinden zu dürfen –, dass anschließend der Breitensport diese schönen Sportstätten nutzen kann.


PH: Ja – und was auf jeden Fall wieder besser werden muss, sind die Preise. Ich habe mich aus diesem Grund entschieden, hier zu bleiben und nicht nach Paris zu fahren, das ist alles viel zu teuer. Ursprünglich sollten die Spiele für die Bevölkerung sein. Aber wenn sich am Ende nur noch die besser Verdienenden Olympia leisten können, finde ich es nicht richtig. Schon gar nicht im Sinne der Olympischen Idee.


SL: Man könnte seitens des IOC die Länder verpflichten, zum Beispiel 50 Prozent der Karten zu Preisen anzubieten, die für alle erschwinglich sind.

Das ist eine Frage des Willens und der Prioritäten, die man setzt.


Olympische Spiele in Berlin – wie steht ihr dazu?


PH: Also ich wäre sehr dafür. Es würde mich mega freuen, in der eigenen Stadt die Spiele zu haben. Wir haben die Sportstätten dafür, das wäre ein Pluspunkt für Berlin. Ich glaube, wir müssten nicht so viel Neues bauen und würden das Nachhaltigkeitskriterium, was wir gerade besprochen haben, auf jeden Fall erfüllen.


Das Problem ist halt der Rückhalt in der Bevölkerung. Ich kann es noch ein bisschen verstehen, weil es alles so teuer ist.


Aber die Spiele würden dem Breitensport in Berlin guttun. Dass Nachwuchs entstehen würde durch die Motivation, durch die Sportbewegung, die dann in der Stadt herrscht und die vielen Vorbilder, denen man begegnen kann. Ich bin kein Logistiker, aber da gäbe es sicher auch Vorteile.


SL: Genau, für die Infrastruktur. Ich würde Olympische Spiele auch sehr begrüßen in Deutschland, aber natürlich nur unter dem Fokus der Nachhaltigkeit. Deswegen finde ich dieses Regionenprinzip oder die Austragung in mehreren Städten sinnvoll.


PH: Aber dann würde das olympische Flair kaputt gehen. Dann sind das aus meiner Sicht keine Olympischen Spiele mehr.


SL: Du kannst ja trotzdem ein Olympisches Dorf in der Mitte Deutschlands einrichten und vor allem musst du keine Sportstätten neu bauen. Aber, es ist wie überall im Leben, es gibt nie schwarz-weiß, sondern nur grau – und es gibt Vorteile dafür, mehrere Regionen einzubeziehen und es gibt die Nachteile, die du genannt hast. Dann muss man am Ende abwägen und auch schauen, wie sich Deutschland auf internationaler Ebene als attraktiver Ausrichter präsentieren kann.

 

 

Das Gespräch führte Sonja Schmeißer
Fotos: Juri Reetz




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