Interview mit Fabienne Fox

Schon leichte Bewegung tut unserem Gehirn gut

 

Zur Person

Fabienne Fox (29) ist Doktorandin am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn und Klinische Datenwissenschaftlerin am Universitätsklinikum Frankfurt


Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft beziffert die Zahl der in Deutschland an Demenz erkrankten Menschen im Jahr 2021 mit fast 1,8 Millionen – in der Altersgruppe 40 Jahre oder älter. Die Hochrechnung für das Jahr 2050 liegt bei Menschen ab 65 Jahren bei bis zu 2,8 Millionen. Es ist also ein Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Das äußert sich auch in der Nationalen Demenzstrategie, die im Juli 2020 von der Bundesregierung beschlossen wurde und bis zum Jahr 2026 umgesetzt werden soll. Ziel der Strategie ist, die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Demenz an ihrem Lebensort zu stärken.


Frau Fox, Sie haben an der „Rheinland-Studie“ vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen mitgewirkt – wie ordnet sich die Studie in diesen Kontext ein und was sind die Ziele dieser einzigartigen Bevölkerungsstudie?

Die Rheinland-Studie ist eine große populationsbezogene Gesundheitsstudie, an der Einwohner (über 30 Jahren) aus zwei Stadtteilen in Bonn teilnehmen können. Unser Ziel ist es, Gesundheits-, Risiko- und Krankheitsmerkmale über die Lebensspanne eines Erwachsenen zu erfassen. Dazu laden wir die Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen zu umfassenden Untersuchungen in unseren Studienzentren ein. Uns interessiert vor allem, wie sich das Gehirn im Laufe des Lebens verändert, was erste Anzeichen für neurodegenerative Erkrankungen, wie z.B. Demenz, sind und welche effektiven Ansätze es gibt, um diesen Erkrankungen vorzubeugen.


Wo haben Sie bei der Studie angesetzt?

In unserer Studie haben wir den Zusammenhang zwischen Bewegung und verschiedenen Kennzeichen der Gehirngesundheit untersucht. Aus vorherigen Studien wissen wir, dass Bewegung positive Auswirkungen auf das Gehirn hat: Es fördert die Blutzirkulation und den Sauerstofftransport, regt die Regeneration und das Wachstum von Nervenzellen an und vermindert das Risiko, an neurodegenerativen Erkrankungen zu erkranken. Allerdings ist bisher nicht bekannt, wie viel und welche Intensität von Bewegung dazu benötigt wird und welche Regionen im Gehirn besonders von Bewegung profitieren.


Welche Untersuchungen haben Sie durchgeführt?

Um dies zu ermitteln, haben wir zunächst von allen Teilnehmenden ein Bewegungsprofil mit Hilfe eines Sensors erstellt, der über 7 Tage am Bein getragen wurde. Zusätzlich haben wir uns Magnetresonanz-Bilder unserer Teilnehmenden angesehen. Hierbei interessierten uns besonders Hirnregionen, die bei kognitiven und motorischen Tätigkeiten beansprucht werden.


Welche Erkenntnisse haben Sie bisher gewonnen?

Im Vergleich zu Teilnehmenden, die weniger aktiv sind, wiesen aktive Teilnehmende ein größeres Gehirnvolumen und eine größere Kortexdicke auf. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt in motorischen Hirnregionen, aber auch im Hippocampus, einer zentralen Schaltstation unseres Gedächtnisses, die früh und besonders stark bei Demenz betroffen ist. Wir konnten zeigen, dass sowohl die Dauer als auch die Intensität von Bewegung wichtig ist. Je länger und höher die Bewegungsintensität ist, desto größer waren die positiven Auswirkungen auf das Gehirn. Gleichzeitig konnten wir ebenfalls zeigen, dass ältere Erwachsene auch bereits von Bewegung mit geringer Intensität profitieren können.


Das heißt, dass sich schon leichte körperliche Aktivität positiv auf das Gehirn auswirkt?

Auf jeden Fall! Vor allem ältere Menschen können von leichter körperlicher Aktivität profitieren, aber auch bei jüngeren Erwachsenen sehen wir einen positiven Einfluss von Bewegung auf die Gehirngesundheit. Außerdem konnten wir zeigen, dass die größten Unterschiede im Gehirn zwischen Erwachsenen mit sehr geringer und Erwachsenen mit mittlerer Aktivitätsdauer zu finden sind.


Das bedeutet, dass vor allem Coachpotatoes, also Menschen mit sehr wenig Bewegung, durch nur geringe Steigerungen ihrer Alltagsbewegung, selbst bei niedriger Intensität, einiges für ihre Gehirngesundheit tun können. Dazu können kleine Änderungen von Gewohnheiten, wie z.B. die Treppe nehmen anstelle des Aufzugs, eine aktive Mittagspause oder eine Bushaltestelle früher aussteigen und den Rest des Weges laufen, beitragen.


Was sind Ihre Empfehlungen zur Prävention von neurologischen und psychologischen Hirn-Erkrankungen? Was kann man selbst tun?

Ich denke, dass vor allem ein ausgewogener Lebensstil zur Prävention von Hirnerkrankungen beitragen kann. Neben ausreichender Alltagsbewegung und Sport, wissen wir auch, dass eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf, soziale Kontakte und wenig Stress einen positiven Einfluss auf unsere Gehirngesundheit haben. Trotzdem gehört es auch dazu, Nachsicht zu zeigen, wenn die Vorsätze durch Arbeit oder Privatleben nicht immer so umgesetzt werden können.


Welche Bedeutung messen Sie bei diesen Erkenntnissen dem Rehasport für Demenzerkrankte bei?

Wir wissen, dass Bewegung und Sport, nicht nur für unsere langfristige Gesundheit, sondern kurzfristig für unser Allgemeinbefinden, positiv sind. Außerdem helfen Sportangebote bei der Erhaltung von Mobilität auch bei bereits erkrankten Menschen und bieten häufig auch eine Möglichkeit zum sozialen Austausch. Diese Aspekte sind nicht zu vernachlässigen und können bei der Pflege von Demenzerkrankten manchmal zu kurz kommen. Daher sind solche Projekte sehr zu begrüßen.


Wie sehen Sie die Chancen, dass auch bei fortschreitender Erkrankung durch Bewegung Gutes für die Beteiligten bewirkt werden kann?

Es gibt immer mehr Studien, die darauf hinweisen, dass regelmäßiger Sport und Bewegung das Fortschreiten einer Demenzerkrankung verlangsamen und einige Symptome wie Gedächtnisverlust abmildern können. Außerdem steigert es auch die Lebensqualität, kurz- wie auch langfristig.


Mit alle dem Wissen - auch um mögliche Demenz-Prävention – was tun Sie selbst für Ihre Gesundheit? Ich habe das große Glück, am Waldrand zu wohnen und zu Fuß zur Arbeit laufen zu können. Meistens spaziere ich in den Mittagspausen mit meinen Arbeitskollegen und wenn es Arbeits- und Privatleben zulassen, gehe ich gerne joggen, wandern oder schwimmen.

 

 

Das Interview führte Gritt Ockert
Foto: Juri Reetz


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