Interview mit Gina Martin

Die Älteren sind heute so fit wie nie zuvor

 

Zur Person

Gina Martin, Vizepräsidentin des BTFB seit 2007, Mitglied im Fachausschuss (FA) Freizeitsport, der auch für die Angebote für Ältere zuständig ist. Ausbilderin 2. Lizenz „Sport in der Prävention“. Seit 40 Jahren Übungsleiterin auch für Ältere bei den Füchsen Berlin.

Gina, mit Verlaub, Sie haben für das Interview die doppelte Expertise, denn Sie gehören laut Lebensalter auch zu der Gruppe, über die wir hier sprechen…

Ja, mit meinen 66 Jahren gehöre ich dazu, fühle mich aber nicht zum alten Eisen gehörig.


Hatten Sie schon in jüngeren Jahren mit dem Sport für Ältere zu tun?

Mein beruflicher Werdegang hatte immer mit älteren Sportlern zu tun. Schon 1978 übernahm ich eine Übungsgruppe, die aus älteren Teilnehmern bestand. Damals war das die typische Hausfrauengymnastik-Gruppe, wie sie es in vielen Vereinen gab. Heute, nach über 40 Jahren, sind meine damaligen Teilnehmer 70+ und einige weit über 80 Jahre alt. Aber immer noch dabei!


Glückwunsch! Man sieht ja an unserem Titelbild, wie fit „Ihre“ Älteren sind. Was gehört dazu, um so lange sportlich zu bleiben und dem Verein die Treue zu halten?

Wichtig ist den Älteren, dass außerhalb der Sportstunde soziales Engagement stattfindet. Gemeinsame Wanderungen, Fahrten, geselliges Beisammensein. Sie brauchen eine gute Ansprache und einen geschützten Rahmen, in dem sie sich mit ihresgleichen austauschen können.

Das funktioniert mit engagierten Trainern oder einer gut organisierten Vereinsstruktur, die die Älteren mit einbindet, gezielte Veranstaltungen anbietet oder sie auch als Helfende bei Veranstaltungen mit einbezieht.


Aber ist es nicht auch so, dass viele gar kein separates Angebot wollen? Sie möchten sich fit halten, Pilates oder Aqua-Fitness, aber keinen „Seniorensport“ machen und schon gar nicht in der Schublade „Ältere“ landen …

Das stimmt und es freut mich besonders, dass die heutigen Senioren eigentlich keine eigenen Angebote brauchen. Sie sind so fit, dass sie in fast jeder Gruppe mitmachen können. Für neue Gruppen, speziell für Kurssysteme, ist diese gesunde Durchmischung der verschiedenen Altersstrukturen sehr gut. Die älteren Teilnehmer sind durch ihr jahrelanges Training oft körperbewusster und koordinativer besser in ihren Bewegungen und können somit den Jüngeren ein Vorbild sein.


Wie können sich Vereine auf diese Entwicklung einstellen?

Vereine tun gut daran, alle Sporttreibenden gemeinsam mitzunehmen. Ein Beispiel bietet ja Anne-Marie Streichhahn mit dem Fitness-Gymnastik-Club Altglienicke, wo das seit Jahrzehnten funktioniert. Auch Familienangebote sind eine Idee: Wenn der Opa mit dem Enkel turnt oder die „3 Generationen Übungsstunde“ stattfindet. Das klappt seit Generationen gut beim Familiensport der FU Berlin. Dieses Format habe ich schon vor Jahren den Vereinen vorgestellt und eine Ausbildung für die Übungsleiter angeboten, aber leider wurde dieses Angebot nicht angenommen.


Welche Rolle spielt der Showbereich, um Ältere einzubeziehen?

Beim legendären Gymnastikforum, heute Bewegungshorizonte, fallen mir viele hervorragende Gruppen mit Älteren ein. Z.B. VFB Hermsdorf mit den großartigen Tänzen, Füchse Berlin mit den Waschtrommeln oder Staubwedeln, TUS Lichterfelde mit den außergewöhnlichen Handgeräten, die BT mit den tollen Vorführungen mit den Älteren. Es gibt in den Vereinen einige Vorführgruppen, die mehrere Generationen einbeziehen, wie die Mamitas aus Mahlsdorf.


Wie ist die Struktur im BTFB, wer sind die Ansprechpartner für die Älteren?

Die Senioren sind in dem Fachausschuss Freizeitsport organisiert. Monika Engel kümmert sich als Verantwortliche um diesen Bereich. Einmal im Monat treffen sich die Seniorinnen zur Gymnastik im Turnzentrum Vorarlberger Damm. Sigrid Hein war hier die Vorreiterin für diese Übungsstunde. Unvergesslich ihre Showvorführungen mit den Älteren bei unseren Veranstaltungen! Aus der Veranstaltung „Senioren laden ein“ wurde letztes Jahr „Sigrids Senioren Sommertreff“.


Welche Trends bezüglich der Bewegungsangebote gibt es für Ältere?

Der Fachausschuss Freizeitsport im BTFB hat vor einigen Jahren für die Senioren in verschiedenen Bezirken Tanznachmittage angeboten. Diese wurden sehr gut angenommen, aber leider von den Vereinen in Eigenregie nicht übernommen, wie wir uns das gewünscht hätten. Unser „Sommertreff“ gehört zu den Trends, auch die Outdoor-Angebote für „Sport im Park“ oder den Triathlon, den wir im vergangenen Jahr veranstaltet haben, zähle ich dazu.


Wie können Vereine neue Mitglieder im höheren Alter gewinnen?

Dieses kann gut über den Rehasport funktionieren. Die Teilnehmer werden an den Sport herangeführt und während der 18 Monate in die Gruppe integriert und finden daran Freude. Die Teilnehmer bleiben zu 90 Prozent dann im Verein. Des Weiteren gibt es Überlegungen vom NTB zur Mitgliedergewinnung über ein Gütesiegel „Altersgerechter Sportverein“.

Dies brauchen wir aber in Berlin nicht, da unsere Vereine im Sport für Ältere gut aufgestellt sind. Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, dass gerade die Älteren den Verein nicht verlassen haben, da sie sehr vereinsgebunden sind.


Die Turnerbünde, so auch der BTFB, sind die Fach-Verbände für den Sport bis ins hohe Alter. Heute ist regelmäßige Bewegung für Senioren 90 + keine Seltenheit mehr…

Nein, ganz im Gegenteil. Und das macht richtig Freude, auch für uns als Anbieter. Denn das ist eine Generation, die kein leichtes Leben hatte, und die sich auch heute nicht über jede Anstrengung oder Veränderung aufregt. Die Teilnehmer freuen sich, dass sie etwas für ihre Gesundheit tun können und sind engagiert dabei. Manche Übungsstunden bieten wir direkt in Einrichtungen an, aber zunehmend sind Menschen hohen Alters auch in den Vereinen zugange. Weil sie einfach ihr Leben lang beim Sport bleiben, wie in meiner Gruppe.


Was tun Sie selbst, um sich fit zu halten?

Meine berufliche Tätigkeit ist ausgefüllt mit viel Bewegung. Vor allem meine sechs Gruppen, die ich Jahrzehnte lang als Übungsleiterin betreue, erfüllen mich mit Freude und Begeisterung. Gemeinsam alt werden hat seinen Charme. Geistig fit halte ich mich durch meine Ehrenämter und bald durch mein neugeborenes Enkelkind.

 


Das Interview führte Sonja Schmeißer.


Foto: privat


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